Vier Fragen an: Sabine von der Beck
Sabine ist wohl der Inbegriff einer erfahrenen Ruhrparlamentarierin: bereits seit 2005 ist sie Teil des Ruhrparlaments. In verschiedenen Rollen hat sie seither die Entwicklung der Metropole Ruhr begleitet. Rund 19 Jahre im Vorstand der grünen Fraktion, als Teil von Ausschüssen und Aufsichtsräten sowie als stellvertretende Vorsitzende des Ruhrparlaments setzt sie sich für die Belange unserer Region ein. Nun wurde sie erneut an die Spitze der Fraktion gewählt. Wir haben mit ihr über ihren Werdegang im Ruhrparlament gesprochen und darüber, was es für eine gute Zukunft des Ruhrgebiets braucht.
1. Wie lange und in welchen politischen Rollen bist du bereits im Ruhrparlament aktiv?
Vor 19 Jahren bin ich aus dem Kreis Recklinghausen in die RVR-Verbandsversammlung nachgerückt. Von 2006 bis 2020 konnte ich als Fraktionsvorsitzende in zunächst rot-grüner, dann rot-grün-schwarzer Koalition die Idee der „grünen“ Metropole Ruhr und die Direktwahl des Ruhrparlaments vorantreiben. Ein Aha-Erlebnis war für mich als Volkswirtin, die sich bis dahin eher mit Wirtschafts- und Wissenschaftsthemen beschäftigt hat, meine Zeit als Mitglied im Kultur- und Sportausschuss. Dort sowie als Teil des Aufsichtsrates haben wir die Kulturhauptstadt Ruhr.2010 eng begleitet. Das Projekt hat mir gezeigt, welche Kräfte im Ruhrgebiet schlummern, die sich – einmal zusammengebracht – grenzüberschreitend gegenseitig enorm verstärken können. Die IGA 2027, in deren Aufsichtsrat ich ebenfalls seit Gründung bin, kann an diesen Erfahrungen anknüpfen und eine besondere Stärke der Region ausspielen. Denn die Metropole Ruhr ist nicht nur dicht besiedelt, sondern auch vergleichsweise dicht begrünt.
2. Was treibt dich an, dich politisch auf regionaler Ebene zu engagieren?
Ich bin davon überzeugt, dass das Ruhrgebiet immer noch nicht alle Register gezogen hat und weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Aber in unsicheren Zeiten wie diesen ist das auch eine gute Nachricht. Denn wir haben Luft nach oben und gigantische Reserven für Veränderungen zum Guten. Wir sollten uns immer wieder bewusst machen: Hier leben fünf Millionen verschiedene, kreative, tatkräftige Menschen in einer einzigartigen Dichte von Unternehmen, Bildungsstätten, Hochschulen, Infrastrukturen, Grünflächen, Freizeit‑, Kultur‑, Sportangeboten. Eigentlich müssen wir „nur“ dafür sorgen, dass hier alle besser zusammenspielen können. Dafür haben wir uns ein direkt gewähltes Ruhrparlament erkämpft. Hier haben wir grundsätzlich die Zuständigkeit und Fähigkeit, das Zusammenspiel der Kräfte über Stadt‑, Bezirks‑, Kirchen‑, Kammer‑, Verbands- und sonstige historische Grenzen hinweg, zu organisieren und zu orchestrieren. Das ist zäh, dauert gefühlt oft elend lange – aber es gibt regionale Lernkurven, und wenn es dann in Teilbereichen wieder klappt, sind wir ganz weit vorn.
3. Mit welchen Vorsätzen gehst du an deine neue Aufgabe als Fraktionsvorsitzende heran und welche Schwerpunkte möchtest du in dieser Wahlperiode noch setzen?
Im Frühjahr hat das Ruhrparlament erstmalig einen Regionalplan für das Ruhrgebiet beschlossen. Ein Regionalplan verteilt vor allem „Schmerzen“, wenn auch möglichst fair und im Sinne des Gemeinwohls. Das war eine schwierige Geburt und es gab bis dahin fast schon ein Denkverbot nach dem Motto: „Erst die Hausaufgaben, bloß nix Neues“. Jetzt gibt es eine Aufbruchstimmung im Ruhrparlament. Diese sollten wir nutzen, um die Tätigkeiten des Regionalverbands zu priorisieren und Kapazitäten freizuschaufeln. Dabei sollten wir zukunftsweisende grüne Projekte und Dienstleistungen im Blick haben, von denen die Region als Ganzes profitiert und die dann – demokratisch untermauert durch die Kommunalwahl – umgesetzt werden können.
4. Was sind deiner Meinung nach die zentralen Themen und Herausforderungen, denen sich die Metropole Ruhr in den nächsten Jahren stellen muss?
Das Ruhrgebiet verdient einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr, der regional aus einer Hand organisiert werden muss. Davon profitieren Lebensgefühl, Stadtteile aber auch Arbeitsmarkt und Wirtschaft. Schon jetzt wird das regionale Radwegenetz im Verbund mit unseren Grünzügen, Freizeit- und Kultureinrichtungen in der Region als hohe Qualität wahrgenommen. Auch die IGA 2027 wird den Blick auf die besondere, auch sehr grüne Qualität der Region verändern – weitere Großformate sind in der Planung. Das Image des Ruhrgebiets holt trotzdem nur langsam auf. Das hängt auch damit zusammen, dass die externe Wahrnehmung durch die schwächsten Stadtteile bestimmt wird. Eine flächendeckende, präventive Sozial- und Bildungspolitik gegen (Kinder-) Armut ist schon für sich allein betrachtet, aber auch wegen dieser Imageeffekte, eine ernste regionale Aufgabe. Zur Finanzierung all dieser Aufgaben können wir uns derzeit nicht auf (Altschulden-)-Lösungen vom Bund verlassen, sondern müssen vehement auf regionales Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen setzen. Startups, die derzeit vor allem rund um die Hochschulen entstehen, brauchen wir überall in der Region. Brachen und leerstehende Ladenzeilen bieten sich für eine entsprechende regional vernetzte Wirtschaftspolitik an. Auch müssen wir investieren, um Industrie, Mittelstand, Handwerksbetriebe, Händler, Dienstleister und Kreativwirtschaft in regionalen Clustern zu fördern. Am Ende kommt es darauf an, dass wir nicht die eine Aufgabe gegen die andere ausspielen, sondern die regionale Entwicklung gut koordiniert in allen Bereichen gemeinsam voranbringen.
Vielen Dank, liebe Sabine, für deine Antworten!