Vier Fragen an: Oliver Linsel
Wenn es um Fragen zur Energiewende und zu Zukunftstechnologien geht, ist Oliver Linsel ein geschätzter Ansprechpartner in unserer Fraktion. Durch seine Tätigkeit am Lehrstuhl für Energiesysteme und ‑wirtschaft der RUB bringt er nicht nur fachliches Wissen mit. Als „Wahl-Ruhrpottler“ hat er sich bewusst für die Region entschieden und will sie auf ihrem Weg zur grünsten Industrieregion der Welt mitgestalten. Warum das Thema Wasserstoff dabei eine so wichtige Rolle spielt und was ihn bei seiner politischen Arbeit sonst noch umtreibt, darüber haben wir mit ihm gesprochen.
1. In welchen Gremien arbeitest du aktuell mit und welche politischen Themen liegen dir besonders am Herzen?
Ich bin im Ruhrparlament Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Beteiligungen, bin Teil des Arbeitskreises Europa und sitze im Aufsichtsrat der Business Metropole Ruhr (BMR).
Eine Frage, die mich bei meiner politischen Arbeit besonders umtreibt, ist, wie und wo wir in Zukunft Wirtschaftsflächen entwickeln wollen. Ein ungebremstes Ausbreiten in die Freiflächen der Metropole und extreme Neuversiegelung schaden nicht nur direkt der Biodiversität, sondern – durch negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima – am Ende auch uns. Stattdessen ist es wichtig, dass wir ehemalige Industrieflächen neu entwickeln und dafür die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Das versuche ich, in den Wirtschaftsgremien immer wieder mit einzubringen. Auch im Arbeitskreis Europa beschäftigt mich das Thema: da die Reaktivierung von Brachflächen in der Regel teurer ist, als in der freien Natur ein Gewerbegebiet zu erschließen, braucht es hierfür Fördermittel. Wir machen uns dafür stark, dieses und weitere Anliegen der Metropole Ruhr in das Bewusstsein der Entscheider*innen auf EU-Ebene zu bringen.
Gleichzeitig interessiert mich sehr, wie wir es schaffen können, dass das Ruhrgebiet die sozialökologische Transformation bewältigen kann. Der Umbau unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität wird eine große Herausforderung, die es gemeinsam zu bewältigen gilt. Ganz besonders am Herzen liegt mir dabei, wie wir dafür unsere Energieversorgung umbauen. Die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien wird künftig Voraussetzung für die Zukunft der Industrie sein und uns unabhängiger von fossilen Importen machen.
2. Apropos Umbau der Wirtschaft: Wo stehen wir da als Region aktuell und warum spielt das Thema Wasserstoff dabei eine so besondere Rolle?
Das Ruhrgebiet steht gerade im Mittelpunkt der Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft. Das Wasserstoffstartnetz, also das geplante Pipelinenetz für den Wasserstofftransport in Deutschland, ist in und um das Ruhrgebiet besonders dicht geplant. Das liegt vor allen Dingen daran, dass wir im Ruhrgebiet mit unserer großen Dichte an Industrie auch einen großen Bedarf für Wasserstoff erwarten. Das Beispiel, welches hier besonders hervorsticht, ist das Stahlwerk von ThyssenKrupp in Duisburg. Um dort die Stahlproduktion von der Nutzung von Kohle auf Wasserstoffdirektreduktion umzustellen, wird das Projekt von Land und Bund mit 2 Mrd. Euro gefördert. Aber auch darüber hinaus laufen in der Metropole Ruhr zahlreiche Projekte, die der Produktion, dem Transport und der Nutzung von Wasserstoff in der Zukunft dienen. Über die industriellen Projekte hinaus wird auch in der Forschungslandschaft im Ruhrgebiet an den verschiedensten Aspekten rund um Wasserstoff gearbeitet. Von Katalysatoren über thermo- und strömungsdynamische Untersuchungen bis hin zu Energiesystemen und Energiewirtschaft werden hier die Grundlagen für die weitere Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft erforscht.
3. Wie schätzt du die weitere Entwicklung der Wasserstoffindustrie in der Metropole Ruhr ein und wo siehst du regionale Gestaltungsmöglichkeiten?
Die Nähe von Industrie und Forschung ist eine große Stärke des Ruhrgebiets. Mit den Forschungseinrichtungen werden die Grundlagen gelegt. Reallabore sowie Industrieprojekte stoßen Bedarfe und Produktion an und bringen so die Wasserstoffwirtschaft langsam zum Laufen. Aber nicht nur die „Big Player“ haben hier die Chance mitzumachen. Gerade im Anlagenbau wird auf dem Weg zur grünsten Industrieregion der Welt auch viel Arbeit von den kleinen und mittelständischen Unternehmen und dem Handwerk übernommen werden.
Das Ruhrparlament ist in seinem Aufgabenbereich zwar nicht direkt in den Projekten und dem Ausbau der Infrastruktur beteiligt, muss aber dennoch seinen Teil dazu beitragen. Auf der einen Seite ist der RVR als Regionalplanungsbehörde in den Planungsprozessen für die Wasserstoffinfrastruktur involviert. Auf der anderen Seite ist die von uns initiierte Wasserstoffkoordinierungsstelle in BMR und RVR dafür da, die Wasserstoffnetzwerke in der Metropole Ruhr und darüber hinaus miteinander zu verknüpfen und einen fachlichen Austausch zu ermöglichen. Wir kommen jetzt gerade von der Orientierungs- und Planungsphase zur Umsetzung – hier müssen wir jetzt konsequent dranbleiben.
4. An welchen Projekten und Themen möchtest du in dieser Wahlperiode noch arbeiten?
Ganz aktuell ist das Thema der kommunalen Altschulden. Nachdem erst eine Lösung angekündigt war, ist diese nun um ein Jahr nach hinten verschoben worden. Da der RVR über die Verbandsumlage von den Kommunen überwiegend selbst finanziert wird, können wir das Problem zwar nicht lösen, aber wir müssen dranbleiben und hier immer wieder auf die teils prekäre Situation der Ruhrkommunen aufmerksam machen. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, verantwortungsvoll mit dem Geld – über welches wir hier im RVR verfügen – umzugehen. Hierbei sind vor allem die Beteiligungen des RVRs und ihre künftige Entwicklung relevant.
Zusammen mit meiner Fraktionskollegin Kirsten Deggim werde ich mich außerdem in einem interfraktionellen Arbeitskreis mit der Frage auseinandersetzen, wie unser „regionales Innovationsprofil“ aussehen soll – also welche Zukunftsindustrien für unsere Metropole besonders wichtig sein können, werden und sollen. Wasserstoff wird hierbei sicher auch eine Rolle spielen.
Vielen Dank, lieber Olli, für deine Antworten!