Nörd­li­ches Ruhr­ge­biet wird bei der Städ­te­bau­för­de­rung benachteiligt

flickr by Rosa Luxem­burg-Stif­tung (CC BY 2.0)

Trotz stei­gender Mittel für die Städ­te­bau­för­de­rung profi­tiert das nörd­liche Ruhr­ge­biet nicht davon. Die zustän­dige Bezirks­re­gie­rung Münster verteilt die zusätz­li­chen Mittel ins Müns­ter­land um.

Im Zeit­raum von 2008 bis 2015 ist der Anteil des Ruhr­ge­biets (RVR) an den Städ­te­bau­för­der­mit­teln im Regie­rungs­be­zirk stetig gesunken. Im Gegenzug hat sich der Anteil des nicht zum RVR gehö­renden Teils der Bezirks­re­gie­rung Münster (BR MS) erhöht. Die Mittel zur Städ­te­bau­för­de­rung kommen aus Programmen des Bundes und des Landes wie Soziale Stadt oder Stadt­umbau West und von der EU, die mit einem Regio­nal­fonds gezielt die Probleme des Struk­tur­wan­dels zu beheben versucht. Die Vertei­lung der Bundes­mittel auf die Länder, die den Groß­teil der Förder­mittel ausma­chen, erfolgt anhand eines problem­ori­en­tierten Vertei­lungs­schlüs­sels. Also bekommen Bundes­länder mit großen städ­te­bau­li­chen und struk­tu­rellen Defi­ziten mehr Geld. Die Bezirks­re­gie­rungen, die die Förder­mittel von den Ländern erhalten, verteilen das Geld weiter an Projekte, die Kommunen ange­meldet haben. Sie sollten sich dabei auch an den problem­ori­en­tierten Vertei­lungs­schlüssel des Bundes halten. Da das nörd­liche Ruhr­ge­biet eine eigen­stän­dige Planungs­re­gion des RVR im Regie­rungs­be­zirk Münster ist, kann es selbst entscheiden welche Projekte die Zuschüsse erhalten. Wie viel Geld insge­samt dem nörd­li­chen Ruhr­ge­biet zusteht, wird aber in Münster entschieden. Im Jahr 2008 erhielt das nörd­liche Ruhr­ge­biet noch 82,4% der insge­samt 32,2 Mio. € Städ­te­bau­för­der­mittel. 2015 waren es nur noch 33,7% der auf 51,2 Mio. € ange­wach­senen Städtebaufördermittel.

„Trotz noch immer großer städ­te­bau­li­cher Defi­zite im nörd­li­chen Ruhr­ge­biet gibt es immer weniger Geld. Allein Kauf und Sanie­rung eines Problem­hauses kostet schnell 500.000€“, meint Burk­hard Wüll­scheidt, Mitglied der GRÜNEN RVR-Frak­tion und Stadtrat in Gelsen­kir­chen. Dieses Jahr stehen der Stadt Gelsen­kir­chen rund 2,5 Mio. € aus dem Modell­vor­haben Problem­im­mo­bi­lien des Landes NRW zur Verfü­gung. Die Mittel reichen dementspre­chend nur für die Sanie­rung weniger Problem­häuser, obwohl es in Gelsen­kir­chen dutzende davon gibt. In den soge­nannten Problem­häu­sern wohnen oft Migrant*innen, die auf dem regu­lären Wohnungs­markt schwer Wohn­raum finden und dann zu über­teu­erten Mieten in eigent­lich nicht mehr bewohn­baren Häusern wohnen müssen.

Die Förder­quote für Maßnahmen im Bereich der Städ­te­bau­för­de­rung in Gelsen­kir­chen beträgt 80% (beim Modell­vor­haben Problem­im­mo­bi­lien 95%). Durch die ange­spannte Haus­halts­lage ist es ein Kraftakt die fehlenden Finanz­mittel aufzu­bringen. Da in der Planungs­phase der Maßnahmen auch Personal- und Finanz­res­sourcen benö­tigt werden, ist es für Städte mit ange­spannten Haus­halten umso schwie­riger sich erfolg­reich um Förder­mittel für den Städ­tebau zu bewerben. „Die neue Landes­re­gie­rung ist hier gefor­dert den Stär­kungs­pakt Stadt­fi­nanzen weiter fort­zu­führen, damit finanz­schwache Kommunen besser Förder­gelder bean­tragen können“, sagt Burk­hard Wüll­scheidt abschließend.

Auch in den anderen Kommunen im nörd­li­chen Ruhr­ge­biet ist die Situa­tion mit den Städ­te­bau­för­der­mit­teln nicht besser. Einige Städte, wie zum Beispiel Castrop-Rauxel, bekommen dieses Jahr über­haupt keine Mittel von der Bezirks­re­gie­rung zuge­wiesen. Das liegt einer­seits an fehlenden Anträgen um die Mittel abzu­rufen, aber auch an der unge­rechten Vertei­lung der zur Verfü­gung stehenden Mittel. Da Castrop-Rauxel über­schuldet ist, muss die Kommune am Stär­kungs­pakt Stadt­fi­nanzen des Landes NRW teil­nehmen. Als Gegen­leis­tung für den Zuschuss durch das Land NRW ist der Haus­halt der Stadt einem harten Spar­kurs unter­legen. Nur die nötigsten Ausgaben dürfen getä­tigt werden. „Durch den Spar­zwang wurde Personal einge­spart und die kompli­zierten Anträge für die Städ­te­bau­för­der­mittel können nicht bear­beitet werden. Der Eigen­an­teil von 20 % ist bei den Maßnahmen meis­tens ohnehin nicht zu tragen“, sagt Bert Wagener, Mitglied der GRÜNEN RVR-Frak­tion und Stadtrat in Castrop-Rauxel.

Ohne eine Ände­rung der Förder­po­litik lassen sich die über Jahre gewach­senen städ­te­bau­li­chen Defi­zite im gesamten Ruhr­ge­biet nicht nach­haltig beheben. Kommende Heraus­for­de­rungen wie die Anpas­sung von Quar­tieren an die Folgen des Klima­wan­dels und neue Bedürf­nisse der über­al­terten Gesell­schaft an die Stadt dürfen neben den aktu­ellen Problemen nicht außer Acht gelassen werden.