Der Kreis Wesel ist durch den Abbau von Kies bereits seit Jahrzehnten stark belastet. Nun soll nach dem Willen der Landesregierung diese Belastung noch weiter steigen. Im kürzlich verabschiedeten Landesentwicklungsplan haben CDU und FDP die Berechnungsgrundlage für die Versorgung mit Kies von 20 auf 25 Jahre ausgeweitet. Dies hat zur Folge, dass in Kamp-Lintfort der Abgrabungsbereich um 92 Hektar ausgeweitet werden soll. Der Regionalverband Ruhr (RVR) ist gesetzlich dazu verpflichtet, diese Vorgaben des Landes planerisch umzusetzen.
Anlässlich eines Ortstermins hat sich die GRÜNE Fraktion im Regionalverband Ruhr einen Überblick über bereits stillgelegte und aktive Auskiesungsflächen machen können. Dabei wurde klar, dass Flächen nicht produzier- oder vermehrbar sind, sondern ein endliches und besonders schützenswertes Allgemeingut sind. Der gewachsene Naturraum geht durch den Kiesabbau unwiederbringlich verloren. Zudem werden die filternden Schichten für das Grundwasser schrittweise verringert. Bei Gesprächen mit den Betroffenen vor Ort wurde auch deutlich, wie und mit welchen Methoden die Kiesindustrie arbeitet und wie sie mit Teilen der Politik verstrickt ist.
„Da wundert es nicht, wenn die Ausweitung von 20 auf 25 Jahre als ein reines Geschenk an die Kiesindustrie durch die schwarz-gelbe Landesregierung bewertet wird“, sagt Sabine von der Beck, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im RVR. „Mit Versorgungssicherheit wird der massive Durchgriff von der Landesebene bis auf die Flächen vor Ort begründet. Aber bis heute kann niemand klar definieren, was Versorgungssicherheit mit Kies eigentlich bedeutet, da die Kiesindustrie in keiner Weise nachweisen muss, wo der am Niederrhein abgebaute Kies verwendet wird. Wer soll damit versorgt werden? Nordrhein-Westfalen, die Bundesrepublik oder die ganze Welt? Die Zahlen werden noch nicht einmal wissenschaftlich berechnet, sondern aufgrund von Abbaumengen in der Vergangenheit von der Kiesindustrie selbst mitgeteilt“, kritisiert Britta Wegner, grünes Mitglied des Ruhrparlaments aus dem Kreis Wesel.
„Wir teilen die Einschätzung der Interessengemeinschaft, dass die Ausweitung des Versorgungszeitraumes als gesetzte Größe den Anforderungen an die Raumplanung widerspricht und einer verwaltungsrechtlichen Überprüfung wohl kaum standhalten wird“, sagt Herbert Goldmann, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im RVR und ehemaliger Landtagsabgeordneter mit dem Fachgebiet Planungsrecht.
Im Kamp-Lintforter Ortsteil Wickrather Feld/Dachsbruch soll nun eine Fläche von 126 Fußballfeldern zusätzlich abgegraben werden, obwohl die Bezirksregierung Düsseldorf im Jahr 2006 diese Flächen für ungeeignet hielt.
„Als GRÜNE unterstützen wir die IG Dachsbruch sowie die ansässigen Landwirt*innen in ihrem Bemühen, die Natur in Kamp-Lintfort zu erhalten. Die Lage ist vertrackt. Der Fehler liegt bei der Landesregierung, die den Regionalverband ohne Rücksicht auf Verluste anweist. Selbst wenn eine Ausweisung im Wickrather Feld im nächsten Regionalplan durch Verlegung auf andere Flächen noch umgangen werden könnte, wäre es nur ein Aufschub. Das ganze System des Kiesabbaus am Niederrhein gehört dringend gründlich auf den Prüfstand. Die Kiesindustrie muss zu Verwendungsnachweisen über den Verbleib des Kieses verpflichtet werden. Auf der Basis daraus abgeleiteter eng definierter, bedarfsgerechter Mengen muss dann zudem eine Recyclingquote für Kies eingeführt werden, die Jahr für Jahr ansteigt. Und drittens muss mit einem Kies-Euro der Marktpreis erhöht werden, damit innovative Alternativen zum Baumaterial Kies am Markt eine Chance bekommen. Die schwarz-gelbe Landesregierung sollte endlich im Sinne der Nachhaltigkeit handeln“, sagt Sabine von der Beck. „Nur so sind der Naturraum und das Trinkwasser im Kreis Wesel langfristig zu retten“, ergänzt Britta Wegner.