Trotz steigender Mittel für die Städtebauförderung profitiert das nördliche Ruhrgebiet nicht davon. Die zuständige Bezirksregierung Münster verteilt die zusätzlichen Mittel ins Münsterland um.
Im Zeitraum von 2008 bis 2015 ist der Anteil des Ruhrgebiets (RVR) an den Städtebaufördermitteln im Regierungsbezirk stetig gesunken. Im Gegenzug hat sich der Anteil des nicht zum RVR gehörenden Teils der Bezirksregierung Münster (BR MS) erhöht. Die Mittel zur Städtebauförderung kommen aus Programmen des Bundes und des Landes wie Soziale Stadt oder Stadtumbau West und von der EU, die mit einem Regionalfonds gezielt die Probleme des Strukturwandels zu beheben versucht. Die Verteilung der Bundesmittel auf die Länder, die den Großteil der Fördermittel ausmachen, erfolgt anhand eines problemorientierten Verteilungsschlüssels. Also bekommen Bundesländer mit großen städtebaulichen und strukturellen Defiziten mehr Geld. Die Bezirksregierungen, die die Fördermittel von den Ländern erhalten, verteilen das Geld weiter an Projekte, die Kommunen angemeldet haben. Sie sollten sich dabei auch an den problemorientierten Verteilungsschlüssel des Bundes halten. Da das nördliche Ruhrgebiet eine eigenständige Planungsregion des RVR im Regierungsbezirk Münster ist, kann es selbst entscheiden welche Projekte die Zuschüsse erhalten. Wie viel Geld insgesamt dem nördlichen Ruhrgebiet zusteht, wird aber in Münster entschieden. Im Jahr 2008 erhielt das nördliche Ruhrgebiet noch 82,4% der insgesamt 32,2 Mio. € Städtebaufördermittel. 2015 waren es nur noch 33,7% der auf 51,2 Mio. € angewachsenen Städtebaufördermittel.
„Trotz noch immer großer städtebaulicher Defizite im nördlichen Ruhrgebiet gibt es immer weniger Geld. Allein Kauf und Sanierung eines Problemhauses kostet schnell 500.000€“, meint Burkhard Wüllscheidt, Mitglied der GRÜNEN RVR-Fraktion und Stadtrat in Gelsenkirchen. Dieses Jahr stehen der Stadt Gelsenkirchen rund 2,5 Mio. € aus dem Modellvorhaben Problemimmobilien des Landes NRW zur Verfügung. Die Mittel reichen dementsprechend nur für die Sanierung weniger Problemhäuser, obwohl es in Gelsenkirchen dutzende davon gibt. In den sogenannten Problemhäusern wohnen oft Migrant*innen, die auf dem regulären Wohnungsmarkt schwer Wohnraum finden und dann zu überteuerten Mieten in eigentlich nicht mehr bewohnbaren Häusern wohnen müssen.
Die Förderquote für Maßnahmen im Bereich der Städtebauförderung in Gelsenkirchen beträgt 80% (beim Modellvorhaben Problemimmobilien 95%). Durch die angespannte Haushaltslage ist es ein Kraftakt die fehlenden Finanzmittel aufzubringen. Da in der Planungsphase der Maßnahmen auch Personal- und Finanzressourcen benötigt werden, ist es für Städte mit angespannten Haushalten umso schwieriger sich erfolgreich um Fördermittel für den Städtebau zu bewerben. „Die neue Landesregierung ist hier gefordert den Stärkungspakt Stadtfinanzen weiter fortzuführen, damit finanzschwache Kommunen besser Fördergelder beantragen können“, sagt Burkhard Wüllscheidt abschließend.
Auch in den anderen Kommunen im nördlichen Ruhrgebiet ist die Situation mit den Städtebaufördermitteln nicht besser. Einige Städte, wie zum Beispiel Castrop-Rauxel, bekommen dieses Jahr überhaupt keine Mittel von der Bezirksregierung zugewiesen. Das liegt einerseits an fehlenden Anträgen um die Mittel abzurufen, aber auch an der ungerechten Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel. Da Castrop-Rauxel überschuldet ist, muss die Kommune am Stärkungspakt Stadtfinanzen des Landes NRW teilnehmen. Als Gegenleistung für den Zuschuss durch das Land NRW ist der Haushalt der Stadt einem harten Sparkurs unterlegen. Nur die nötigsten Ausgaben dürfen getätigt werden. „Durch den Sparzwang wurde Personal eingespart und die komplizierten Anträge für die Städtebaufördermittel können nicht bearbeitet werden. Der Eigenanteil von 20 % ist bei den Maßnahmen meistens ohnehin nicht zu tragen“, sagt Bert Wagener, Mitglied der GRÜNEN RVR-Fraktion und Stadtrat in Castrop-Rauxel.
Ohne eine Änderung der Förderpolitik lassen sich die über Jahre gewachsenen städtebaulichen Defizite im gesamten Ruhrgebiet nicht nachhaltig beheben. Kommende Herausforderungen wie die Anpassung von Quartieren an die Folgen des Klimawandels und neue Bedürfnisse der überalterten Gesellschaft an die Stadt dürfen neben den aktuellen Problemen nicht außer Acht gelassen werden.