Die Haushaltsrede der GRÜNEN Fraktionsvorsitzenden im Regionalverband Ruhr, Sabine von der Beck:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
mit dem Ende des Steinkohlenbergbaus bricht für das Ruhrgebiet eine neue Ära an. Grob geschätzt sind inzwischen rund 150 Milliarden Euro an Subventionen in die Steinkohle geflossen, ein Großteil davon in das Ruhrgebiet. Jahrzehntelang war diese Position der größte Klotz in der Subventionsliste des Bundes. Jahrzehntelang schallte uns deshalb aus den übrigen Bundesländern entgegen, dass das ja wohl wahnsinnig viel Geld sei und man sich deshalb ansonsten bitte sehr ganz bescheiden im Hintergrund zu halten habe.
Mal ganz abgesehen davon, dass Kohlesubventionen ökologisch bedenklich sind: Der Preis für diese einseitige Subventionierung des Ruhrgebiets war auch, dass die Region bei elementaren Zukunftsthemen im Bund-Länder-Finanzkarussell skrupellos übergangen wurde.
Verkehr ist dafür ein Paradebeispiel: Wie sonst ist es zu erklären, dass es in Bayern mittlerweile für jede Milchkanne, jedes Dorf mit 20.000 Einwohnern, einen Bahnhof mit Anbindung an das Schienenpersonennahverkehrsnetz gibt, dass im dichten Ruhrgebiet aber 12 Städte gibt, in denen teilweise über 70.000 Einwohnern überhaupt keinen Anschluss an die Schiene haben? Obwohl überall Gleise liegen? Die Analysedaten des regionalen Mobilitätsentwicklungskonzeptes zeigen, wie schlecht das Ruhrgebiet im Modal Split und insbesondere beim Öffentlichen Schienenverkehr für die Zukunft aufgestellt ist. Jetzt ist die Zeit, das offensiv zu ändern. Daran arbeiten wir gemeinsam mit allen Städten.
Mit dem Ende der Steinkohlesubventionen können wir nach vorn blicken. Beim Thema Altschulden zum Beispiel. Die sind aufgelaufen, weil der Bund die Zeche, die er bestellte, nämlich die Sozialtransfers, nie ganz bezahlt hat. Wir Grünen haben mit der Expertise des ehemaligen Kämmerers von Bochum, Manfred Busch, ein Gutachten vorgelegt, das zeigt, wie die Städte des Ruhrgebietes auf Dauer von den 15 Milliarden aufgelaufenen Schulden – ein Zehntel der Steinkohlesubventionen – befreit und wieder wettbewerbsfähig werden können. Laut Presseverlautbarung der Regionaldirektorin von gestern wird auch der Kommunalfinanzbericht von Herrn Prof. Junkernheinrich, der merkwürdigerweise erst am kommenden Montag vorgestellt werden soll, Vorschläge für eine Altschuldentilgung machen.
Welches Modell am Ende auch genommen wird: Fest steht, nie war die Zeit und waren die Zinsen so günstig, um die Städte der Metropole Ruhr endlich wieder wettbewerbsfähig aufzustellen. Die Frage ist nun nicht mehr wie, sondern wann endlich Bund und Land handeln, um diese fertigen Lösungsvorschläge umzusetzen.
Zeit also, sich um die Zukunftsfragen der Region zu kümmern. Wir Grünen sehen den Regionalverband Ruhr als die ideale Denkfabrik genau dafür. Seit fast hundert Jahren hat der Verband die Blaupause dafür entwickelt, trotz der Verwerfungen der Industrialisierung regionale Chancen zu entdecken und zu nutzen. 2020 ist das Jahr, in dem der Verband wie Phönix aus der Asche der verbrannten Kohle steigen wird und mit der Direktwahl in die Wahrnehmung der Bevölkerung treten wird. Es ist gut, dass wir unsere Hausaufgaben in der Kommunikation mit der Standort- marketingkampagne schon zu einem großen Teil gemacht haben.
Für 2019 legen wir Wert darauf, dass das gesamte Marketing-budget des Verbandes, also das Budget für Standort-Marketing, für das Jubiläumsjahr 2020, für die Direktwahl effektiv, koordiniert und konzertiert eingesetzt wird. Das gilt auch für die Präsentation eines besonderen Wertes der Metropolregion, nämlich für die Darstellung der ökologischen Infrastruktur.
Eine der großen und mittlerweile auch prominentesten ökologischen Errungenschaften des RVR ist das regionale Radwegenetz mitsamt der Radschnellwege, das sich hoher Beliebtheit erfreut und deshalb, und aus vielen guten – ökologischen, touristischen, gesundheitlichen, klimapolitischen – Gründen ausgebaut werden muss. Mit Sorge haben wir aber festgestellt, dass die Unfallzahlen beim Radfahren bundesweit steigen und wollen, dass die Metropole Ruhr auch hier mit geballtem Wissen Vorreiter für das sichere Radfahren wird. Deshalb sollen auf einer Fachveranstaltung die Experten der Region Ihr Wissen zum Thema Fahrradsicherheit zusammentragen und gemeinsam praktikable Lösungen entwickeln. Auch die Radlerinnen und Radler selbst sollen nach ihren Vorstellungen vom sicheren Fahrradfahren befragt werden, dazu bieten Veranstaltungen wie der Fahrradsommer der Route der Industriekultur oder auch die neue Ausstellung „FAHR RAD“, die wir in die Metropole Ruhr holen wollen, gute Gelegenheiten.
Die auf der ökologischen Infrastruktur der Region aufsetzende Internationale Gartenausstellung 2027 scheint nun – mal wieder ein Jahr später als geplant – endlich die Zustimmung aller 53 Städten zu haben. Hurra! Wieviel Arbeit nun noch vor uns liegt, hat die Förderung der Revierparks 2020 gezeigt.
So hat das Team von Herrn Fischer in diesem Jahr wirklich eine enorme Menge an Arbeit parallel zur IGA bewältigen müssen, für die wir uns an dieser Stelle besonders bedanken. Jetzt ist es an uns, aber auch an den beteiligten Städten, mit der IGA 2027 das grüne Image der Region weiter zu verbessern. Und es liegt am Land, die grundsätzlichen, aber immer noch allzu vagen Versprechen einzulösen, und bei der Co-Finanzierung von Projekten mitzuziehen. Wir werden den Prozess weiterhin aufmerksam beobachten.
Ökologische Infrastruktur, dazu gehören nicht zuletzt auch die Wälder des Regionalverbands. Viel zu tun gab in diesem Jahr auch für RuhrGrün. Der Klimawandel mit Dürren, Waldbrandgefahr, Borkenkäfern und Folgeschäden hat sich hier bereits drastisch ausgewirkt. Wir schlagen vor, dass die Wälder zukünftig extensiver genutzt werden, denn ein Naturwald kann sich besser an Klimaveränderungen anpassen als eine unter kurzfristigen Gewinnaspekten gepflanzte Holzplantage. Die richtigen Konzepte müssen jetzt angegangen werden. Um die vielfältigen Aufgaben in den Wäldern – vom Naturschutz bis zu Bildungsangebot – zukünftig besser wahrnehmen zu können, beantragen wir zudem, dass zunächst drei Ranger bei Ruhr Grün eingesetzt werden und gute Erfahrungen sammeln, von denen – so hoffen wir – zukünftig auch andere Städte Gebrauch machen können.
Dass die wertvollen ökologischen Flächen der Region behutsam im Einklang mit Wirtschaft und Wohnraum entwickelt werden können, dafür hat das Team der Regionalplanung in einem beispielhaften Prozess einen neuen Regionalplan entworfen, und steht nun vor der Abarbeitung eingehender Stellungnahmen aus dem Beteiligungsverfahren. Für ihren sehr kompetenten und engagierten Einsatz bedanken wir uns ebenfalls herzlich.
Zusätzlich, quasi als informelle und aktuelle Ergänzung, soll das heute beantragte regionale Wohnungsmarktkonzept zeigen, wie sich soziale, ökologische und wirtschaftliche Fragen beim Thema Wohnen – bestmöglich regional und miteinander abgestimmt – lösen lassen.
Für die insgesamt erfolgreiche und engagierte Arbeit in allen Tochtergesellschaften und Abteilungen des Verbandes, auch für die Aufstellung des Haushalts bedanken wir uns an dieser Stelle ebenfalls.
Wir sind froh, dass wir mit dem Haushalt endlich durchsetzen konnten, dass ein von uns bisher kritisch betrachteter Bereich der Verwaltung, die Liegenschaftsverwaltung, konzeptionell neu aufgestellt wird. Wir erhoffen uns von klaren Leitlinien, dass anstatt von Reaktionen auf Gelegenheiten, die schnell in unzusammenhängenden Sammelsurien enden, nun strategisch durchdachte, zielgerichtete Erwerbe und auch Verkäufe möglich werden. Das gilt insbesondere zunächst auch für die Übernahme von Halden wie auch für das zur Diskussion stehende Trainingsbergwerk Recklinghausen: regionale Relevanz und Sinnhaftigkeit jedes einzelnen Objekts wollen wir gründlich überprüft wissen.
Mit seinem Etat von rund 95 Millionen im Jahr ist der Regionalverband Ruhr im Vergleich zu den Steinkohle-Subventionsmilliarden geradezu zwergenhaft klein. Andererseits, für die 53 Städte samt vier Kreise des Ruhrgebiets, die ihre Grundsteuern und Gewerbesteuern bis zum Anschlag wettbewerbsverzerrend hochschrauben mussten, wiegt schon dieses kleine Budget gefühlt sehr schwer.
Wenn man sich die Aufgaben anschaut, die dieser Verband derzeit im Sinne aller Städte stemmt, dann wird deutlich, dass eine Reduzierung des Hebesatzes ein Sparen am falschen Ende gewesen wäre. Wir stimmen deshalb mit den von uns vorgeschlagenen Änderungen dem vorgelegten Haushalt zu.
Bald ist Weihnachten und Sie werden von uns wieder eine Weihnachtskarte bekommen. Diesmal geht es um diverse Geschenkkartons, und darum, was drin – oder besser: nicht drin ist. Wir sind jedenfalls wieder sehr gespannt auf das, was drin ist im nächsten Jahr, und wünschen Ihnen und der Metropole Ruhr schon jetzt einen friedlichen Jahreswechsel und ein erfolgreiches, glückliches Jahr 2019. Kurzum und trotz allem: Bleiben wir optimistisch!