GRÜNE im RVR: Rede zum Haus­halt 2019

By 14. Dezember 2018Allgemein

Sabine von der Beck

Die Haus­halts­rede der GRÜNEN Frak­ti­ons­vor­sit­zenden im Regio­nal­ver­band Ruhr, Sabine von der Beck:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen,

mit dem Ende des Stein­koh­len­berg­baus bricht für das Ruhr­ge­biet eine neue Ära an. Grob geschätzt sind inzwi­schen rund 150 Milli­arden Euro an Subven­tionen in die Stein­kohle geflossen, ein Groß­teil davon in das Ruhr­ge­biet. Jahr­zehn­te­lang  war diese Posi­tion der größte Klotz in der Subven­ti­ons­liste des Bundes. Jahr­zehn­te­lang schallte uns deshalb aus den übrigen Bundes­län­dern entgegen, dass das ja wohl wahn­sinnig viel Geld sei und man sich deshalb ansonsten bitte sehr ganz bescheiden im Hinter­grund zu halten habe.

Mal ganz abge­sehen davon, dass Kohle­sub­ven­tionen ökolo­gisch bedenk­lich sind: Der Preis für diese einsei­tige Subven­tio­nie­rung des Ruhr­ge­biets war auch, dass die Region bei elemen­taren Zukunfts­themen im Bund-Länder-Finanz­ka­rus­sell skru­pellos über­gangen wurde.

Verkehr ist dafür ein Para­de­bei­spiel: Wie sonst ist es zu erklären, dass es in Bayern mitt­ler­weile für jede Milch­kanne, jedes Dorf mit 20.000 Einwoh­nern, einen Bahnhof mit Anbin­dung an das Schie­nen­per­so­nen­nah­ver­kehrs­netz gibt, dass im dichten Ruhr­ge­biet aber 12 Städte gibt, in denen teil­weise über 70.000 Einwoh­nern über­haupt keinen Anschluss an die Schiene haben? Obwohl überall Gleise liegen? Die Analy­se­daten des regio­nalen Mobi­li­täts­ent­wick­lungs­kon­zeptes zeigen, wie schlecht das Ruhr­ge­biet im Modal Split und insbe­son­dere beim Öffent­li­chen Schie­nen­ver­kehr für die Zukunft aufge­stellt ist. Jetzt ist die Zeit, das offensiv zu ändern. Daran arbeiten wir gemeinsam mit allen Städten.

Mit dem Ende der Stein­koh­le­sub­ven­tionen können wir nach vorn blicken. Beim Thema Altschulden zum Beispiel. Die sind aufge­laufen, weil der Bund die Zeche, die er bestellte, nämlich die Sozi­al­trans­fers, nie ganz bezahlt hat. Wir Grünen haben mit der Exper­tise des ehema­ligen Kämme­rers von Bochum, Manfred Busch, ein Gutachten vorge­legt, das zeigt, wie die Städte des Ruhr­ge­bietes auf Dauer von den 15 Milli­arden aufge­lau­fenen Schulden – ein Zehntel der Stein­koh­le­sub­ven­tionen – befreit und wieder wett­be­werbs­fähig werden können. Laut Pres­se­ver­laut­ba­rung der Regio­nal­di­rek­torin von gestern wird auch der Kommu­nal­fi­nanz­be­richt von Herrn Prof. Junkern­hein­rich, der merk­wür­di­ger­weise erst am kommenden Montag vorge­stellt werden soll, Vorschläge für eine Altschul­den­til­gung machen.

Welches Modell am Ende auch genommen wird: Fest steht, nie war die Zeit und waren die Zinsen so günstig, um die Städte der Metro­pole Ruhr endlich wieder wett­be­werbs­fähig aufzu­stellen. Die Frage ist nun nicht mehr wie, sondern wann endlich Bund und Land handeln, um diese fertigen Lösungs­vor­schläge umzusetzen.

Zeit also, sich um die Zukunfts­fragen der Region zu kümmern. Wir Grünen sehen den Regio­nal­ver­band Ruhr als die ideale Denk­fa­brik genau dafür. Seit fast hundert Jahren hat der Verband die Blau­pause dafür entwi­ckelt, trotz der Verwer­fungen der Indus­tria­li­sie­rung regio­nale Chancen zu entde­cken und zu nutzen. 2020 ist das Jahr, in dem der Verband wie Phönix aus der Asche der verbrannten Kohle steigen wird und mit der Direkt­wahl in die Wahr­neh­mung der Bevöl­ke­rung treten wird. Es ist gut, dass wir unsere Haus­auf­gaben in der Kommu­ni­ka­tion mit der Standort- marke­ting­kam­pagne schon zu einem großen Teil gemacht haben.

Für 2019 legen wir Wert darauf, dass das gesamte Marke­ting-budget des Verbandes, also das Budget für Standort-Marke­ting, für das Jubi­lä­ums­jahr 2020, für die Direkt­wahl effektiv, koor­di­niert und konzer­tiert einge­setzt wird. Das gilt auch für die Präsen­ta­tion eines beson­deren Wertes der Metro­pol­re­gion, nämlich für die Darstel­lung der ökolo­gi­schen Infrastruktur.

Eine der großen und mitt­ler­weile auch promi­nen­testen ökolo­gi­schen Errun­gen­schaften des RVR ist das regio­nale Radwe­ge­netz mitsamt der Radschnell­wege, das sich hoher Beliebt­heit erfreut und deshalb, und aus vielen guten – ökolo­gi­schen, touris­ti­schen, gesund­heit­li­chen, klima­po­li­ti­schen – Gründen ausge­baut werden muss. Mit Sorge haben wir aber fest­ge­stellt, dass die Unfall­zahlen beim Radfahren bundes­weit steigen und wollen, dass die Metro­pole Ruhr auch hier mit geballtem Wissen Vorreiter für das sichere Radfahren wird. Deshalb sollen auf einer Fach­ver­an­stal­tung die Experten der Region Ihr Wissen zum Thema Fahr­rad­si­cher­heit zusam­men­tragen und gemeinsam prak­ti­kable Lösungen entwi­ckeln. Auch die Radle­rinnen und Radler selbst sollen nach ihren Vorstel­lungen vom sicheren Fahr­rad­fahren befragt werden, dazu bieten Veran­stal­tungen wie der Fahr­rad­sommer der Route der Indus­trie­kultur oder auch die neue Ausstel­lung „FAHR RAD“, die wir in die Metro­pole Ruhr holen wollen, gute Gelegenheiten.

Die auf der ökolo­gi­schen Infra­struktur der Region aufset­zende Inter­na­tio­nale Garten­aus­stel­lung 2027 scheint nun – mal wieder ein Jahr später als geplant – endlich die Zustim­mung aller 53 Städten zu haben. Hurra! Wieviel Arbeit nun noch vor uns liegt, hat die Förde­rung der Revier­parks 2020 gezeigt.

So hat das Team von Herrn Fischer in diesem Jahr wirk­lich eine enorme Menge an Arbeit parallel zur IGA bewäl­tigen müssen, für die wir uns an dieser Stelle beson­ders bedanken. Jetzt ist es an uns, aber auch an den betei­ligten Städten, mit der IGA 2027 das grüne Image der Region weiter zu verbes­sern. Und es liegt am Land, die grund­sätz­li­chen, aber immer noch allzu vagen Verspre­chen einzu­lösen, und bei der Co-Finan­zie­rung von Projekten mitzu­ziehen. Wir werden den Prozess weiterhin aufmerksam beobachten.

Ökolo­gi­sche Infra­struktur, dazu gehören nicht zuletzt auch die Wälder des Regio­nal­ver­bands. Viel zu tun gab in diesem Jahr auch für Ruhr­Grün. Der Klima­wandel mit Dürren, Wald­brand­ge­fahr, Borken­kä­fern und Folge­schäden hat sich hier bereits dras­tisch ausge­wirkt. Wir schlagen vor, dass die Wälder zukünftig exten­siver genutzt werden, denn ein Natur­wald kann sich besser an Klima­ver­än­de­rungen anpassen als eine unter kurz­fris­tigen Gewin­naspekten gepflanzte Holz­plan­tage. Die rich­tigen Konzepte müssen jetzt ange­gangen werden. Um die viel­fäl­tigen Aufgaben in den Wäldern – vom Natur­schutz bis zu Bildungs­an­gebot – zukünftig besser wahr­nehmen zu können, bean­tragen wir zudem, dass zunächst drei Ranger bei Ruhr Grün einge­setzt werden und gute Erfah­rungen sammeln, von denen – so hoffen wir – zukünftig auch andere Städte Gebrauch machen können.

Dass die wert­vollen ökolo­gi­schen Flächen der Region behutsam im Einklang mit Wirt­schaft und Wohn­raum entwi­ckelt werden können, dafür hat das Team der Regio­nal­pla­nung in einem beispiel­haften Prozess einen neuen Regio­nal­plan entworfen, und steht nun vor der Abar­bei­tung einge­hender Stel­lung­nahmen aus dem Betei­li­gungs­ver­fahren. Für ihren sehr kompe­tenten und enga­gierten Einsatz bedanken wir uns eben­falls herzlich.

Zusätz­lich, quasi als infor­melle und aktu­elle Ergän­zung, soll das heute bean­tragte regio­nale Wohnungs­markt­kon­zept zeigen, wie sich soziale, ökolo­gi­sche und wirt­schaft­liche Fragen beim Thema Wohnen – best­mög­lich regional und mitein­ander abge­stimmt – lösen lassen.

Für die insge­samt erfolg­reiche und enga­gierte Arbeit in allen Toch­ter­ge­sell­schaften und Abtei­lungen des Verbandes, auch für die Aufstel­lung des Haus­halts bedanken wir uns an dieser Stelle ebenfalls.

Wir sind froh, dass wir mit dem Haus­halt endlich durch­setzen konnten, dass ein von uns bisher kritisch betrach­teter Bereich der Verwal­tung, die Liegen­schafts­ver­wal­tung, konzep­tio­nell neu aufge­stellt wird. Wir erhoffen uns von klaren Leit­li­nien, dass anstatt von Reak­tionen auf Gele­gen­heiten, die schnell in unzu­sam­men­hän­genden Sammel­su­rien enden, nun stra­te­gisch durch­dachte, ziel­ge­rich­tete Erwerbe und auch Verkäufe möglich werden. Das gilt insbe­son­dere zunächst auch für die Über­nahme von Halden wie auch für das zur Diskus­sion stehende Trai­nings­berg­werk Reck­ling­hausen: regio­nale Rele­vanz und Sinn­haf­tig­keit jedes einzelnen Objekts wollen wir gründ­lich über­prüft wissen.

Mit seinem Etat von rund 95 Millionen im Jahr ist der Regio­nal­ver­band Ruhr im Vergleich zu den Stein­kohle-Subven­ti­ons­mil­li­arden gera­dezu zwer­gen­haft klein. Ande­rer­seits, für die 53 Städte samt vier Kreise des Ruhr­ge­biets, die ihre Grund­steuern und Gewer­be­steuern bis zum Anschlag wett­be­werbs­ver­zer­rend hoch­schrauben mussten, wiegt schon dieses kleine Budget gefühlt sehr schwer.

Wenn man sich die Aufgaben anschaut, die dieser Verband derzeit im Sinne aller Städte stemmt, dann wird deut­lich, dass eine Redu­zie­rung des Hebe­satzes ein Sparen am falschen Ende gewesen wäre. Wir stimmen deshalb mit den von uns vorge­schla­genen Ände­rungen dem vorge­legten Haus­halt zu.

Bald ist Weih­nachten und Sie werden von uns wieder eine Weih­nachts­karte bekommen. Diesmal geht es um diverse Geschenk­kar­tons, und darum, was drin – oder besser: nicht drin ist. Wir sind jeden­falls wieder sehr gespannt auf das, was drin ist im nächsten Jahr, und wünschen Ihnen und der Metro­pole Ruhr schon jetzt einen fried­li­chen Jahres­wechsel und ein erfolg­rei­ches, glück­li­ches Jahr 2019. Kurzum und trotz allem: Bleiben wir optimistisch!